"Zum Sonntag" stellt das aktuelle Tagesevangelium mit einem zum Nachdenken anregenden Text vor.
Sonntag, 26.10.2025 - 30. Sonntag im Jahreskreis - C
In jener Zeit
9erzählte Jesus einigen,
die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren
und die anderen verachteten,
dieses Gleichnis:
10Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten;
der eine war ein Pharisäer,
der andere ein Zöllner.
11Der Pharisäer stellte sich hin und sprach bei sich dieses Gebet:
Gott, ich danke dir,
dass ich nicht wie die anderen Menschen bin,
die Räuber, Betrüger, Ehebrecher
oder auch wie dieser Zöllner dort.
12Ich faste zweimal in der Woche
und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.
13Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen
und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben,
sondern schlug sich an die Brust
und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
14Ich sage euch:
Dieser ging gerechtfertigt nach Hause zurück,
der andere nicht.
Denn wer sich selbst erhöht,
wird erniedrigt,
wer sich aber selbst erniedrigt,
wird erhöht werden.
(aus: https://www.erzabtei-beuron.de/schott
Vielleicht ist der dauernde Vergleich mit anderen eine der Folgen vom Biss in den Apfel vom Baum der Erkenntnis. So werden wir aus jenem möglichen Paradies auf Erden vertrieben, wo wir, ohne nachdenken zu müssen, das Richtige tun. Die Urteile über uns und andere sind sehr fehleranfällig. Es gibt viele Menschen, deren Blick auf sich selbst und die Welt in der Kindheit eine dunkle Brille erhalten hat. Solange die Eltern leben, jene Messgrößen des eigenen Wertes, hoffen wir auf Anerkennung und die Zusicherung, dass wir gut sind, so wie wir sind. Die nächsten Wunden für das Selbstbild stehen dann für viele Jahre in roter Schrift unter Schularbeiten. Wir sind umgeben von Menschen, die entweder unnötig an sich zweifeln oder solchen mit sehr fragwürdigen Kriterien der Beurteilung. Und „Sünder“ sind wir anscheinend immer.
Das trennt uns von einem Leben als glückliche Kinder Gottes. Wenn wir die gesamte „Beurteilungsenergie“ im privaten Bereich und in den Medien in wirkliche Kraft verwandeln könnten, wären viele Probleme der Menschheit leicht zu lösen: der Hunger auf der Welt, die Zerstörung der Natur usw.
Es ist schwer, den eigenen Weg zu gehen, ohne nach anderen zum Vergleichen Ausschau zu halten. Einfach das zu tun, was einen glücklich macht: Bücher schreiben, im Wald wandern, musizieren, ohne damit viel Geld zu verdienen, einfach ein Leben zu haben wie „ein junger Hund“, wie man früher sagte. Sofort kommt der unruhige Geist und vergleicht mit anderen Lebensentwürfen.
Wer entspricht wohl Gottes Wille mehr, die fleißigen Arbeiter und Beter, die besten Sportler, die schönsten Männer und Frauen, die bravsten Kinder usw.? Ich getraue mich zu behaupten, dass er nach den Glücklichsten Ausschau hält.
Sie müssen sich nicht „klein machen“, um nicht in Gefahr zu kommen, überheblich zu werden. Die wirklich glücklichen sind jene Menschen, die seinen Willen am besten erfüllen. Das bedeutet, jeden Augenblick so gut als möglich zu gestalten. Mit Fröhlichkeit, wenn es etwas zum Lachen gibt, ohne andere damit zu kränken, großzügig zu sein gegenüber allen, die weniger haben an Geld und an Liebe und dankbar zu sein und staunend über jedes Wunder. Daneben gibt es jene Millionen Sünden, wie die Lieblosigkeiten in Gesprächen, die fehlende Anerkennung von Mühen, das Verbrauchen von mehr, als uns zusteht. Sie alle verhindern das Paradies heute. Am besten ist es, wir überlassen das Urteilen Gott selbst. So können wir ihn mit dem besten Leben ehren, das es gibt.
Elisabeth Ziegler-Duregger
(aus: Botschaft heute, Aachen 2022)