"Zum Sonntag" stellt das aktuelle Tagesevangelium mit einem zum Nachdenken anregenden Text vor.
Sonntag, 30.11.2025 - 1. Adventssonntag - A
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
37Wie es in den Tagen des Noach war,
so wird die Ankunft des Menschensohnes sein.
38Wie die Menschen in jenen Tagen vor der Flut
aßen und tranken, heirateten und sich heiraten ließen,
bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging,
39und nichts ahnten,
bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte,
so wird auch die Ankunft des Menschensohnes sein.
40Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten,
einer mitgenommen und einer zurückgelassen.
41Und von zwei Frauen, die an derselben Mühle mahlen,
wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen.
42Seid also wachsam!
Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.
43Bedenkt dies:
Wenn der Herr des Hauses wüsste,
in welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt,
würde er wach bleiben
und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht.
44Darum haltet auch ihr euch bereit!
Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde,
in der ihr es nicht erwartet.
(aus: https://www.erzabtei-beuron.de/schott
„Mach dir da mal gar keine Hoffnung – hab ich doch längst gesehen. Komm an die Leine!“ Wenn ich mit meinem Dackel unterwegs bin, brauche ich Wachsamkeit. Das ist eine helle, schwebende Aufmerksamkeit und Achtsamkeit für alles, was ist und kommen könnte. Mein Hund ist ein Jäger. Hätte er erst einmal Gas gegeben, um einem Kaninchen oder einer Ratte hinterherzurennen, hätte ich keine Chance, ihn noch zu erreichen. Bellt er bereits lautstark, erreiche ich ihn viel schwerer, als in dem kurzen Moment, bevor er loslegt und den ich erahne, wenn ich wachsam bin.
Wachsamkeit hat sinnliche und intuitive Anteile. Ich nehme die Umgebung wahr, sehe, horche, rieche Veränderungen in meinem direkten Umfeld. Beim Riechen ist mir mein Hund eindeutig weit überlegen. Ich sehe aber auch meinen Hund, nehme wahr, wie sich die Nackenhaare aufstellen, wie sich die Nase schnuppernd in der Luft oder über dem Boden bewegt, wie die Rute steht. Ich denke nicht darüber nach. Ich bin einfach in dieser Haltung. Wachsam, achtsam sein ist keine Tätigkeit, sondern ein Zustand. Das kann man schnell missverstehen: Das Schloss zweimal umdrehen, damit auch ja nichts passiert. Alle Fehler durchgehen und vorbeugende Maßnahmen treffen. Nein, das ist nicht gemeint. Die Evangelienlesung des 1. Advents mahnt an, wachsam zu sein, weil wir nicht wissen, wann der Herr kommt.
Im Zeitalter digitaler Medien ist es kaum vorstellbar, dass wir nicht wissen, wann der Herr kommt – schließlich könnte er ja anrufen und sogar ganz kurzfristig Bescheid geben. Wir wären gewahr, was kommt, so wie wir Sturm- und Starkregenwarnungen hören und uns vorbereiten können.
Die Ermahnung im Evangelium wäre aber gründlich missverstanden, wenn wir ängstlich, vorsichtig oder hektisch auf das drohende Ende warten. Es geht um diese schwebende Aufmerksamkeit für alles, was gerade da ist, und für das, was sich in dem, was da ist, auch schon ankündigt. Der Kapitän eines Schiffes, die Nachtwache, die Chirurgin ist wachsam. Und wir als Freunde Jesu sollen wachsam sein: mit all unseren Sinnen, mit unserem Denkvermögen und mit unserem Bauchgefühl beachten, was gerade ist und sich darin ankündigt.
Ida Lamp
(aus: Botschaft heute, Aachen 2019)